…und ‚Microsoft Word‘ ist ein Textverarbeitungsprogramm, eines unter vielen. Was es so mühsam macht, Anwendern wie beispielsweise Lehrkräften eine Vielfalt der Anwendungsprogramme zu vermitteln, sind unter anderem die Markennamen, die sich zu Gattungsnamen verselbständigt haben. Irgendwie beruhigend für Normalverbraucher, im Computerladen mitgeteilt zu bekommen, dass ‚Word schon drauf ist‘. Man betritt bekanntes Terrain, kann sich mit der neuen Maschine scheinbar schneller anfreunden.
Zwingende Bindung an einen Hersteller
Es ist eine Mutmaßung: Der Kunde bleibt bei der Software, die er kennt, selbst wenn objektiv die Hürde der Einarbeitung höher ist als bei einem Produkt eines anderen Herstellers. Diese notwendige Einarbeitung ergab sich zum Beispiel bei der Einführung des Ribbon-Bedienkonzeptes unter Microsoft Office 2007 (Quelle ehemals https://office.microsoft.com/en-us/help/use-the-ribbon-instead-of-toolbars-and-menus-HA010089895.aspx). Der folgende, hauseigene Produkttext verschleiert die Schwierigkeiten, die Anwender bei der Umstellung hatten: „Sie fragen sich, wo Sie Ihre bevorzugten Word 2003-Befehle in der neuen Oberfläche von Word 2007 finden? Oder möchten Sie einfach nur ein paar Tipps, während Sie das raffinierte neue Design entdecken?“ (Quelle ehemals https://office.microsoft.com/de-ch/word-help/interaktives-referenzhandbuch-befehle-in-word-2003-und-word-2007-im-vergleich-HA010074432.aspx?CTT=5&origin=HA010225009). In der Regel möchten man nicht entdecken, am besten gar nicht suchen, sondern produktiv arbeiten.
Screenshot von Firefox 4: Haben die EntwicklerInnen mit ihrem textorientierten Menü etwas falsch gemacht? Oder sind diese Menüs überholt?
Was bedeutet das für den Einsatz freier Software in der Schule?
Die Umstellung von einem kommerziellen Programm zu einer freien Lösung ist unter Umständen nicht größer als von einer Produktversion zu einer anderen des gleichen Herstellers. Und ein Kriterium für eine gute Software ist, dass sich Lösungen für Aufgaben (ich möchte eine Datei speichern, ich möchte ein Bild schärfen, ich möchte eine Tabelle einfügen…) möglichst ohne Aufwand erschließen. Ein streng subjektives Kriterium, aber eines, bei dem der Anwender sich angesprochen fühlt oder sich abwendet.
Nicht um der politischen Korrektheit, sondern einer kreativen Vielfalt willen versuchen Sie es doch mal mit den Begriffen Tabellenkalkulation statt Excel, Textverarbeitung statt Word und Präsentationsprogramm statt Powerpoint.
Schwer, weil lang? Dann verwenden Sie doch Calc, Writer und Impress.
Gut auf den Punkt gebracht. Ich versuche auch seit einer Weile an einer von mir betreuten Schule das Microsoft Office auf kurz oder lang aus dem Schulbetrieb zu verbannen, was sich aber schwieriger gestaltet als gedacht. Der Widerstand der Lehrkräfte ist mittlerweile gebrochen, aber die Unterrichtsunterlagen sind teilweise noch aus dem Jahre 2005 oder davor und… da kannte scheinbar noch niemand das OpenOffice (oder Libre Office).
Die Ribbon-Oberfläche finde ich im Übrigen gar nicht mal so verkehrt, auch wenn sich die Vorteile gegenüber dem klassischen Interface nur in den seltensten Fällen offenbaren, so ist wenigstens mein subjektives Empfinden. Interfaces zugunsten alter Gewohnheiten nicht zu verändern halte ich aber für falsch, da das sämtlichen Fortschritt einfrieren würde.
Ein gutes Beispiel dafür ist auch das leidige Betriebssystem. Häufig kommt noch Windows XP zum Einsatz, häufig auch aus diesem Grunde, weil die Leute daran gewohnt sind. Aber: Windows XP ist 10 Jahre alt. 10 Jahre. Das ist so, als hätte man im Jahre 2005 jemanden mit Windows 95 arbeiten lassen. Oder 2000 mit MS-DOS. Das Interface von XP hat schon mächtig Staub angesetzt. Windows 7 macht es aber nicht deutlich besser, aber immerhin ein wenig.
Ich habe an besagter Schule als Zweitsystem Ubuntu installiert und benutze es auch in einem meiner beiden Kurse, die ich dort gebe. Und die Kids lieben es. Nach anfänglichem Gemeckere, dass ja alles anders ist, ist jetzt alles besser und nicht mehr anders.
Die Anfangshürde ist immer da, da der Durchschnittsbürger ein Gewohnheitstier ist und sich nicht umgewöhnen will. Also bleibt er bei dem, was er kennt. Aber wie Henry Ford schon sagte: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.“
Viele Änderungen werden von LehrerInnen als Mehrarbeit empfunden. Mit dieser Tatsache muss man umgehen – es ist schlecht, wenn man die Leute nicht mitnimmt und ihnen etwas überstülpt. Ein schlüssiges Konzept für den praktischen Unterricht an der Schule bildet der Europäische Computerführerschein (ECDL). Die Unterlagen gibt es seit geraumer Zeit auch für OpenOffice und befähigt Lehrerinnen und Lehrer – zusammen mit den vielen Onlinekursen z.B. für Moodle – , einen fachlich fundierten Unterricht zu gestalten, ohne immens in eine neue Vorbereitung zu investieren. Damit überholt man im übrigen auch die ‚Class in a Box‘-Übungen der Fa. Microsoft.