In fast allen Schulen stehen inzwischen PCs, innovative Schulen binden auch schülereigene Geräte wie Notebooks, Smartphones oder Tablet-PCs in den Unterricht mit ein. Knackpunkt ist die Vernetzung dieser Maschinen. Aus der Erfahrung ergibt sich, dass diese Vernetzung viel zu selten pädagogisch ausgerichtet ist.
Die folgende Situation stellt sich häufig dar:
- Endgeräte (sog. Clients) sind mit Standardprogrammen ausgestattet (ein Office-Paket mit Textverarbeitung/Tabellenkalkulation/Präsentation, Browser und Medienabspieler)
- der Zugang ins Internet ist ermöglicht
- Schülerinnen und Schülern können Daten (Arbeitsergebnisse, Protokolle, Präsentationen usw.) auf lokalen Rechnern ablegen.
Und damit ist eine technische Basisausstattung, aber kein pädagogisch orientiertes Schulnetz geschaffen. Und leider: Während in der Sekundarstufe I engagierte KollegInnen oder Schulassistenten die Systeme so gut es geht administrieren und pädagogisch ausrichten, bleiben besonders an Grundschulen folgende Punkte unberücksichtigt:
- was passiert, wenn die Systemeinstellungen der Clients versehentlich oder absichtlich verändert werden – die Maschinen als ‚kaputt‘ gelten?
- wie kann ein Client mit weiterer Software (z.B. mit Lernprogrammen) versehen werden?
- wie ist es möglich, den Zugang ins Internet so zu regeln, dass rechtliche Vorgaben erfüllt sind
- wie ist gewährleistet, dass Schülerdateien zum einen sicher gespeichert, zum anderen für Gemeinschaftsarbeit einer Gruppe verfügbar sind?
- wie können die Vorteile des sogenannten Web 2.0 mit sozialen Netzwerken und selbst erarbeiteten Inhalten (UGC für ‚user generated content‘ wie z.B. Wikis, Blogs) im schuleigenen Netzwerk realisiert werden, ohne aufwändig externe Anbieter zu nutzen?
Bastellösungen für Konzerne
Für jeweilige Teilbereiche gibt es im Bereich der Open-Source-Software gute und sehr gute Lösungen: Fileserver, Internetfilter, Groupwarelösungen, Lernplattformen und Benutzerverwaltung werden von verschiedenen Communities erarbeitet und aktualisiert. In der schulischen Realität werden diese Elemente aber fast immer zu ‚Bastellösungen‚ verknüpft, die dann zusammenbrechen, wenn der Administrator/die Administratorin die Schule verlässt.
Schulen zeichnet eine Besonderheit aus: Sie haben jede für sich die Größe einer mittelständischen Firma mit dreißig Mitarbeitern bis zu der Größe eines Konzerns mit teilweise über tausend Mitarbeitern, die alle das System nutzen.
Gleichzeitig gibt es aber keine IT-Abteilung, die sich um die Ausstattung kümmert oder wenigstens Entscheidungshilfe leisten könnte.
Anforderungskatalog für gute Schulserverlösungen
Ausgehend von Veröffentlichungen aus Bayern, der Produktbeschreibung der kommerziellen Musterlösung aus Baden-Württemberg und der Diskussion in Niedersachsen kann ein Anforderungskatalog an eine gute Schulserverlösung wie folgt formuliert werden:
Die Benutzerverwaltung
- Einpflegen der Nutzerdaten durch Dateien, die die Schulverwaltungsprogramme ausgeben
- Vergabe von Gruppenrechten für gesteuerten Zugriff auf die verschiedenen Serverfunktionen
- Anlegen/Löschen/Verändern von Lern- und Arbeitsgruppen, wichtig z.B. für das Versetzen von Klassen
- einfache Kennwortvergabe/-änderung
Sicherheit und Schutz
- die Möglichkeiten der Kompromittierung müssen begrenzt bzw. kompromittierte Systeme müssen einfach wiederherstellbar sein (z.B. durch ein Imagingsystem)
- die interne Kommunikation muss geschützt sein: Mailverkehr darf nicht einsehbar, ein Chat muss bei Missbrauch zu sperren sein
- alle Daten müssen ohne viel Aufwand sicherbar sein
- nach den rechtlichen Auflagen muss eine Filterung des Internets realisierbar und leicht steuerbar sein
- technische Protokollierung: Die Nutzung des Systems muss kontrollierbar sein
- neben der technischen muss es eine pädagogische Administration geben: Regelung des Zugangs zum Internet (aus, an, geschützt, offen)
Kommunikation/Groupware
- ein vollwertiger Mailserver, der internen und externen Mailversand ermöglicht, macht die Kommunikation innerhalb der Schule verbindlicher („Meine Mailadresse bei Anbieter XY ist nicht mehr gültig…“), zum anderen erscheint die Schule nach außen ebenfalls einheitlicher im Sinne einer Corporate Identity
- Ein Chat bietet als moderne, bei Schülerinnen und Schüler überaus beliebte Kommunikationsform in Echtzeit besondere Kontaktmöglichkeiten zwischen Lerngruppen und PädagogIn
- Groupwarefunktionalität: Angebot eines Kalenders zur schulinternen Organisation, Raum- und Medienbuchungsfunktion
Serverfunktionalität und Technik
- Datenserver: mit Gruppen- und persönliche Dateiordnern, Austausch von Dateien für eine bestimmte Zeit (Hausaufgaben, Klassenarbeiten), Ablage von Daten auf dem Server unbedingt auch von zu Hause
- Applikationsserver: Integration von Lern- und Arbeitsumgebungen wie z.B. Moodle, ein Wiki o.ä.
- Anbindung an standardisierte Nutzerschnittstellen, z.B. LDAP
- Druckerserver: Nutzung zentraler Drucker, Vergabe von Druckkontingenten
- Mediennutzung: Multimediadaten und didaktische Medien, die von den Verlagen publiziert werden, haben für den modernen kooperativen Unterricht mit interaktiven Lehrmaterialien eine besondere Bedeutung und müssen gut integrierbar sein
- Neue und schülereigene Geräte – auch Smartphones, Tablets usw. – müssen sich leicht in das Netz einpflegen lassen, ohne dass sie ein Sicherheitsproblem darstellen
- Domänenanmeldung, die möglichst plattformunabhängig ist
- Fernwartbarkeit des Servers
- leichte Installation und Aktualisierung von Programmen auf internen Maschinen
- Zugriff von jedem internen und externen Rechner, womit sich der Schulserver vom möglichen Schulverwaltungsserver unterscheidet
Das Wichtigste zum Schluss
Mit den an Schulen fehlenden IT-Experten ist das Gros der Mitarbeiter (LehrerInnen, SchülerInnen, Schulleitung) angewiesen auf leicht zu bedienende Systeme. Was ‚intuitiv bedienbar‘ meint, wird in der Wikipedia sehr exakt unter den Stichworten ‚Benutzerfreundlichkeit‚ und ‚Ergonomie‘ zusammengefasst:
„Ziel ist dabei die Berücksichtigung des Menschen und seiner Aufgaben und Fähigkeiten sowie die Anpassung des Werkzeuges (sei es Software oder aber jedes andere Werkzeug) daran.“ [Quelle: Wikipedia]
Es gibt im Bereich Opensource-Software Spitzen-Programme mit einem immensen Funktionsumfang, deren Bedienung aber eine intensive Auseinandersetzung fordert, die ‚normale Benutzerinnen und Benutzer‘ schlicht überfordert (Beispiel: der Editor Vim und das Animationsprogramm Blender).
Ein Schulserver muss daher dem Kriterium der Benutzerfreundlichkeit ganz besonders entsprechen, da er ansonsten mutmaßlich als am Anwender vorbei entwickelt gelten kann. Damit rückt in den Blickpunkt…
Die Oberfläche, das Userinterface
- alle Funktionen und Module des Servers müssen intuitiv bedienbar und möglichst einheitlich und integriert erscheinen
- die Schule muss über das System direkt sozial vernetzt sein. Das heißt, das eine Schule mit dem Serversystem als digitales Herz leben kann und dieses nicht nur eine technische Einrichtung ist. Wenn z.B. Konferenzprotokolle, Beschlüsse der Schülervertretung, Kalendereinträge oder Mitteilungen der Elternvertreter oder sonst etwas doch nur ausgedruckt am schwarzen Brett landen oder KollegInnen immer noch mit ihrem Speicherstick arbeiten, ist etwas bei der Einführung schief gelaufen oder das System zu kompliziert. Dann kann dieses ein gutes Stück Software sein, man arbeitet aber nicht damit.
Der Stand der Dinge
Es gibt ein schier unüberschaubares Angebot an Serversystemen (auch) im Opensource-Bereich. Neben der Linuxmusterlösung des Landes Baden-Württemberg scheint es trotz intensiver Recherche aber auch im englischsprachigen Raum keine weitere OSS-Schulserverlösung zu geben, die auch nur in Ansätzen den formulierten Anforderungen gerecht wird.
Wenn sich dieser Artikel dazu mausert, die engagierten EntwicklerInnen einer solchen Software anzuregen, für ihr Produkt zu werben und in die Diskussion einzutreten, wäre diese Veröffentlichung erfolgreich.