Als Engagierter für Opensource-Software an Schulen, der auch Ipad-Projekten mit ihrem speziellen Ökosystem wenig Gutes abgewinnen kann, sieht man sich sehr schnell in einen Grabenkrieg hineingezogen. Die Argumentationslinie verläuft so, dass aus Anwendersicht proprietäre und kommerzielle Produkte häufig zur besseren Alternative erklärt werden. Schulische Aspekte und Vorteile von OSS wie die Lizensierung, Kompatibilität, Offenheit der Systeme, Verfügbarkeit auch für wirtschaftlich Schwächere usw. sind stark nachrangig.
‚Bessere Alternative“ definiert sich dann leider selten über die Leistungsfähigkeit bezogen auf eine Aufgabenstellung: „Hiermit erstelle ich Tabellen besonders schnell“, sondern über: „Macht mir weniger Entscheidungsstress“, „Haben alle, kann nicht schlecht sein“, „Was nix kostet, kann nicht gut sein“ undsoweiterundsoweiterundsoweiter.
Die Aufgaben und Motivation von LehrerInnen
Und dann gibt es außerschulische Menschen, die Fragen wie diese stellen:
Glauben Sie, die Lehrer halten proprietäre Produkte wirklich für diebessere Alternative oder sind sie vielleicht nicht genügend motiviert
etwas neues auszuprobieren und dann auch noch erlernen zu müssen?
Welche Antwort gibt man hier?
Die Aufgaben von LehrerInnen sind inzwischen extrem vielfältig (im übrigen der Grund, warum es so ein toller Beruf ist). Aber auch die kreativste Arbeit fordert auf Dauer eine stabil funktionierende Arbeitsumgebung, und wie in so vielen Berufen ist das inzwischen ein Computersystem. Ein Vordiplom in Informatik kann bei der Fülle der Aufgaben nicht noch gestemmt werden.
Bei der Entscheidungsfindung, welche Software eingesetzt wird, geht es nach ziemlich simplen Prinzipien: Wer kauft ein Auto und vergleicht vorher Details der Einspritzsysteme? Beide Geräte – Auto und Computer – müssen funktionieren und wenig verbrauchen – beim Auto Kraftstoff, beim Computer Geld und zeitliche Ressourcen. Und das ‚kleine Quentchen Bauchgefühl‘ trifft dann letztlich die Entscheidung.
Keine Zeit und kein Geld
Damit kann man ziemlich genau umschreiben, was die obige Fragestellung im Hinblick auf Digitale Medien angeht. Es gibt in der Wahrnehmung des Autors tatsächlich noch eine wenig ausgeprägten Motivation von Lehrerinnen und Lehrern, sich überhaupt an digitale Systeme zu wagen. Und dann werden die obigen Prinzipien wirksam: Es darf und kann keine Zeit kosten, sich einzuarbeiten oder intensiv auseinanderzusetzen, es darf nur wenig Geld kosten (und z.B. kommerzielle Officeprodukte sind speziell für LehrerInnen zu einem Spottpreis zu haben) und man möchte kein Abenteuer buchen und erwirbt das Bewährte, Bekannte, Anerkannte und schlichtweg Vorinstallierte.
Das Thema gab es schon hier im Blog. Einschließlich der relativ objektiven Widersprüche, dass kommerzielle Produkte nicht einfacher zu bedienen sind, nur weil man eine ältere Version hatte. Und ein Windows-System nach dem zehnten Update und der Installation des fünfzehnten Tools zur Verbesserung der Arbeitsumgebung quasi unbrauchbar ist und neu aufgesetzt werden muss. Und seltenst mal ein attraktives und aufgeräumtes Linux ausprobiert wurde.
Marketing und Implementierung und Sensibilisierung
Deswegen hier vielleicht zwei neue Aspekte:
- Wie schafft man es, die Vorteile von Opensource-Software nachhaltig herauszustellen? Wie schafft man dies gegen die Marketingstrategien der Konzerne?
- Wie schafft man eine nachhaltige Implementierung von und eine Sensibilisierung für OSS? Muss man den Konzepten der Software-Riesen folgen und die Produkte vorinstalliert auf den Markt werfen? Wie kann das für die Schule aussehen?
Die Antwort auf die Frage: Mehrwert für die Arbeit
Die Antwort auf die Frage oben ist, dass Lehrerinnen und Lehrer den Mehrwert für ihre Arbeit erkennen müssen. Wird ein Mehrwert erkannt, ist die Einführung auch von Software fast ein Selbstläufer. Und des Weiteren geht es weniger um mangelnde Motivation als um ein zuviel an Aufgaben. Und für die ganz deutlichen Vorteile offener und freier und kostenloser Software ist bisher noch wenig Sensibilität vorhanden. Aber es dauerte auch seine Zeit, bis der ökologische Landbau in die Lehrpläne eingezogen ist (auch wenn heute deswegen noch lange nicht alles ‚bio‘ isst).
Ist das eine angemessene Antwort?