Würdevoller und würdeloser Tod – das Warschauer Ghetto und Bełzec

Der Aufstand im Warschauer Ghetto

Im Deutschlandfunk lief heute folgender Radiobeitrag (Link):

Aufstand im Warschauer Ghetto
Kampf der jungen Juden für einen "würdevollen Tod"
Der Aufstand im Warschauer Ghetto am 19. April 1943 war der größte bewaffnete Widerstandsakt von Juden in Europa gegen die Nationalsozialisten. Doch mit dieser Rebellion verband sich nicht die Hoffnung auf Sieg und Überleben. Der Aufstand jährt sich nun zum 75. Mal.

Von Johanna Herzing

Konzentrations- und Vernichtungslager in Galizien

Majdanek in Lublin

Die heutige Gedenkstätte des KZ Majdanek in Lublin

Im Sommer 2016 reiste ich für zwei Wochen durch Ost-Polen und die Ukraine, der historischen Region Galizien. Dort hatte die jüdische Kultur einen heute unvorstellbar großen Raum.
In Lublin besuchte ich die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Majdanek. Dieses KZ und Vernichtungslager hatte wie Auschwitz neben den mit Elektrodraht umzäunten Lagerbaracken eine Gaskammer, ein Krematorium, einen Komplex für die geraubte Kleidung der Opfer. Der Drahtverhau mit tausenden Paar Schuhen lässt das Blut gefrieren. Unter gedenkstättenpädagogischen Aspekten besitzt Majdanek damit wie Auschwitz die Ikonen des Holocaust. Sinnbilder für die Vernichtung von Menschen. Und der jüdischen Kultur, von der in der Region nur noch wenige Spuren zeugen.

Bełzec – Begegnung ohne Vorbereitung

Bełzec liegt an der Strecke Lublin – Lwiw/Lemberg

Auf der Fahrt nach Lwiw (Lemberg) hielt der Bus in Bełzec. Ein kleiner, unauffälliger Ort südlich der Stadt Zamość in der sanft hügeligen Landschaft an der ukrainischen Grenze. Matthias Kneip schreibt in seinem großartigen Buch ‚Reise in Ostpolen – Orte am Rand der Mitte (ISBN 3-936706-28): „Man hatte mich gewarnt. Wer die Gedenkstätte in Auschwitz besucht habe, bräuchte hier nicht mehr herzukommen.“ Niemand hatte mich gewarnt, ich habe Auschwitz nicht besucht. Bełzec erschlug mich erst, als ich schon wieder zu Hause war.

Orte ohne Erinnerung

In Bełzec existierte ein Vernichtungslager. Das ist zunächst nur ein Begriff, an dem die bekannten Bilder anzuknüpfen versuchen: Grausam in KZs eingepferchte Menschen, durch Arbeit und Mangel zu Tode geschundene Menschen, die Massen ermordeter Menschen.

Die Gedenkstätte des Vernichtungslagers Majdanek – Stufen zeigen den zeitlichen Ablauf der Deportationen ganzer Orte

Belzec bedeutete Tod ohne Würde

Bełzec ist anders: An diesem mikroskopisch kleinen Ort wurden in einer mikroskopisch kleinen Zeitspanne über 400.000 Menschen mit ihren Geschichten, ihren Namen, ihrer Kultur industriell ermordet. Massenabfertigung mit nur einem einzigen Ziel. Für die Statistik nur ein paar Bleistiftstriche auf Papier, keine bürokratische Erfassung, keine tätowierten Nummern in den Armen.

In den Konzentrationslagern des deutschen Reiches gab es einen Funken Hoffnung auf Überleben, weil der perfide Tod durch Arbeit etwas länger dauerte, die Chance eröffnete, vielleicht doch zu überleben.

Der Versuch, die Namen nicht vergessen zu lassen.

Die Ankunft in Bełzec (und Sobibór und Treblinka) bedeutete den namenlosen, würdelosen Tod. Ohne Ausnahme. Ohne jeden Funken Hoffnung.

Dagegen kämpfen die Gedenkstätten an: Alle Opfer haben einen Namen, alle eine Geschichte. An diese zu erinnern gibt den Toten ihre Würde zurück.

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